Im Alltag denken viele Menschen, dass unser Gedächtnis wie ein Tonband, eine Kamera oder ein Fotoapparat funktioniert. Wenn wir uns erinnern, holen wir angeblich einfach das Erlebte aus einem Speicher hervor.
Die Forschung zeigt, dass dies selten der Fall ist. Stattdessen rekonstruieren wir oft unsere Vergangenheit. Dabei können Erinnerungen durch viele Dinge beeinflusst werden:
Ein bekannter Effekt in der Psychologie ist der „Rückschaufehler". Hierbei erinnern sich Menschen nachträglich oft anders an ihre ursprünglichen Einschätzungen.
Wenn jemand vor einer Prüfung eine Note von 2,7 erwartet, aber dann eine 2,0 bekommt, erinnert er sich später vielleicht daran, dass er eine 2,3 erwartet habe.
(z.B. „2,7")
(z.B. „2,0")
(z.B. „2,3")
Abbildung 1.3: Typisches Ergebnis in einer Studie zum Rückschaufehler – die Erinnerung an ein Urteil ist ein Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Urteil und einer später gegebenen Information.
Die Informationen, die wir bei der Rekonstruktion von Gedächtnisinhalten benutzen, müssen nicht immer so klar sein wie etwa die Information, dass das tatsächliche Ergebnis in der Klausur eine 2,0 war.
Manchmal sind Zusatzinformationen auch in der Art und Weise versteckt, wie jemand eine Befragung durchführt. Vor allem wenn sich die Befragten nicht sicher sind, können subtile Informationen in der Frage den Abruf (und auch die Neukonstruktion) von Gedächtnisinhalten beeinflussen.
Von einem besonders drastischen Beispiel wird im Kasten „Falsche Erinnerung mit Konsequenzen" berichtet.
Unser Gedächtnis ist kein perfekter Speicher, sondern ein aktiver Rekonstruktionsprozess. Erinnerungen können durch verschiedene Faktoren beeinflusst und verändert werden:
Dies hat wichtige Konsequenzen für unser Verständnis von Augenzeugenberichten, persönlichen Erinnerungen und psychologischen Theorien.